Synthesizer sind heute digital.
Analog wird allenfalls nachgebildet in ausgefeilten Software-Instrumenten. – Sollte man meinen.
Tatsächlich lebt die Analogtechnik. Genauso, wie dir Röhre in edlen Verstärkern oder klassisches Vinyl auf dem Plattenteller.
Es gibt einen Markt, der gar nicht mal so klein ist und eine Reihe renommierter Hersteller, die auf analoge Klangerzeugung setzen.
Am bekanntesten ist sicherlich der Synthesizer-Pionier MOOG aus den USA, der mit etlichen klassischen Klangerzeugern gut im Geschäft ist – auch mit einer Weiterentwicklung der Synthesizer-Legende „Minimoog“.
Ein anderer Name, der immer wieder auftaucht, ist Dave Smith, der seinerzeit den „Prophet“ von Sequencial Cirquits entwickelte und bei vielen anderen Synths maßgeblich mitgewirkt hat – so bei den Synthesizern mit Vektor-Synthese, wie der Wavestation von Korg (die war allerdings digital, also zurück zum Thema).
Analoges aus Deutschland
Und dann gibt es das Musikelektronik-Genie Dieter Döpfer. Einen Namen erarbeitete er sich in erster Linie durch die Entwicklung von Tastaturen, die der Anschlagsdynamik eines Flügels erstaunlich nahe kamen – und das zu einer Zeit, als Digitalpianos noch keine so selbstverständliche Massenware waren, wie sie es heute sind.
Ein weiterer Schwerpunkt waren und sind aber analoge Klangerzeuger mit einer extrem puristischen Funktionsweise. So gibt es große, beliebig erweiterbare Modular-Systeme – das, was man sich in den 70ern unter Synthesizer-Burgen vorstellte, aber auch kleine analoge Module, die ganz grundlegende Funktionen bereitstellen – radikal auf das Wesentliche reduziert.
Eine Hommage an die Anfänge der Synthesizer-Technik ist das aktuelle Duo „Dark Time“ und „Dark Energy“.
Der Synthesizer
Der „Dark Energy“ ist ein analoger, monophoner Synthesizer, mit direkter Steuerung aller Parameter über Drehregler und Schalter auf dem Bedienfeld. Und diese Schalter sind echt, machen genau das, was ihre Beschriftung ansagt. Kein digitales „User-Interface“. Aber auch keine Speicher. Jede Einstellung ist ein Unikat und so 1:1 nie exakt reproduzierbar.
Der Klang wird durch einen VCO (Voltage Controlled Oscillator) erzeugt – eine analoge Komponente, die sich auch genau so verhält. So muss das Gerät erst eine gewisse Betriebstemperatur erreichen, um wirklich stimmstabil zu sein. Auch ein Stimmgerät ist im Umgang mit wirklich analogen Synthesizern immer hilfreich.
Die Klangformung geschieht durch klassische substraktive Synthese. Der Klang des Oszillators wird also im Wesentlichen durch Filter bearbeitet, die in das Frequenzspektrum des Klanges eingreifen. Ein Hüllkurvengenerator bestimmt den Lautstärkeverlauf des Tons. Es gibt noch weitere Parameter, wie LFOs (Low Frequency Oscillator), womit z.B. ein Vibrato oder Tremolo erzeugt werden kann. Die weiteren Parameter, wie Pulsweitenmodulation, würden an dieser Stelle zu weit führen.
Der Synthesizer hat keine eigene Tastatur, muss also irgendwie von außen angesteuert werden. Und hier finden sich die einzigen Zugeständnisse zur digitalen Welt: Es gibt einen USB-Anschluss für moderne USB-Keyboards, dann die schon klassischere MIDI-Schnittstelle.
Aber wir machen’s ganz klassisch und spielen den Synthesizer durch Steuerspannungen. Hierzu werden mindestens zwei Kabel benötigt. Eins steuert die Tonhöhe. Je höher die Spannung auf diesem Kabel, um so höher die Frequenz, die der Oszillator erzeugt.
Als Zweites wird ein Kabel mit einer „Gate“-Spannung benötigt. Damit wird gesteuert, ob der Oszillator überhaupt einen Ton von sich gibt. Liegt Spannung auf dem Kabel an, erzeugt der Oszillator einen Ton mit der Tonhöhe, die über die Frequenz-Steuerspannung vorgegeben wird, Fällt die Gate-Spannung ab, verstummt der Oszillator.
Klingt erstmal kompliziert, ist es aber bei genauerer Betrachtung gar nicht. Bevor die MIDI-Schnittstelle dies standardisierte, war das der klassische Weg, elektronische Musikinstrumente miteinander sprechen zu lassen. Darüber hinaus lassen sich über diese Steuerspannungen alle möglichen Parameter regeln. So auch zum Beispiel die Filter oder die Hüllkurven.
Die Tatsache, dass dieser Vorgang analog ist, bringt es mit sich, dass die Regelmöglichkeiten absolut stufenlos waren. Spätestens, wenn man einmal auf einem echt analogen Synthesizer gespielt und „geschraubt“ hat, weiß man, was das bedeutet. Diese „Stufenlosigkeit“ aller Parameter ist digital nur schwer abbildbar – besonders bei dem sehr grob gerasterten Midi-Protokoll.
Der Sequencer
Aber jetzt zu Doepfers „Dark Time“. Dieses Gerät ist wirklich konsequent „Old-School“. Es ist ein analoger Sequencer mit 16 Schritten. Es können also Abfolgen von maximal 16 Tönen analog gespeichert werden. Dazu hat jeder „Ton“ seinen eigenen Schaltkreis in diesem Gerät. Für jeden Schritt gibt es ein Potentiometer, das (in der Regel) die Tonhöhe regelt, dann jeweils ein Schalter, mit dem eingestellt wird, ob dieser Ton gespielt wird, stumm ist, oder übersprungen werden soll – und ein weiterer Schalter, mit dem man einstellt, wie es weiter gehen soll: also, ob sie Sequenz nach diesem Ton weiterläuft, stoppt oder zum Anfang zurückspringt.
Von diesen Steuermodulen gibt es 16 Stück.
Solche Sequenzer schufen die berühmten, immer wiederkehrenden Tonfolgen, wie man sie von Klassikern, wie Kraftwerk, Tangerin Dream oder Jean Michel Jarre kennt – eins der ganz wichtigen Stilmittel der elektronischen Musik.
Mit dem DarkTime lassen sich nun genau solche Tonfolgen programmieren, und der Sequenzer gibt die Daten per Steuerspannungen aus. Bei der klassischen Vorgehensweise werden also Sequencer und Synthesizer mit zwei Kabeln miteinander verbunden (eins für die Frequenz, eins für das „Gate“), und schon kann der DarkEnergy (oder jeder andere Synthesizer mit „Control-Voltage“-Anschlüssen) diese Tonfolgen wiedergeben.
Währen dies geschieht, kann man nach Herzenslust an den Synthesizer-Parametern schrauben und mit den Klangveränderungen experimentieren.
Auch hier sei noch einmal betont, dass man Unikate schafft. Nichts wird gespeichert – alles sind Ergebnisse des Augenblicks. Die Möglichkeit, Einstellungen zu reproduzieren, sind sehr grob. Gerade das macht den Reiz des Ganzen aus.
Im Kontext
Trotzdem lässt sich all das in größere Setups einbinden. Über die MIDI-Schnittstelle des DarkTime, lässt sich der analoge Sequencer so mit einer Digitalen Audio Workstation synchronisieren. Auf diese Weise kann man das analoge Geschehen in komplexe Arrangements einbetten. Der „Takt“ des DarkTime passt sich der so genannten „Midi Clock“ des steuernden Computers an, und er startet und stoppt auch synchron.
Es ist eine wundervolle Spielwiese des kreativen „sich-treiben-lassens“, eine fast unerschöpfliche Inspirationsquelle.
Das Wiederaufleben bzw. Weiterleben dieser Analogtechnik trägt einen großen Teil dazu bei, zu verstehen, wie und warum sich elektronische Musik entwickelt hat, warum sie so viele Künstler in Ihren Bann zieht und dass die „großen Geheimnisse“ manchmal ganz simpel sind.