Prime Air: Warum das Drohnen-Projekt von Amazon kein Marketing-Gag ist

Die Zustell-Drohne von Amazon (Foto: amazon.com)

Die Zustell-Drohne von Amazon (Foto: amazon.com)

Jeff Bezos will es wissen: Beim Online-Kaufhaus Amazon arbeitet man in den USA an der Warenzustellung via Drohne. Für kurze Lieferdistanzen bis zu 16 Kilometer sollen Bestellungen mit autonomen Octocoptern geliefert werden können. Das “Prime Airgenannte Programm soll innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre in Betrieb gehen. Speditionen müssen sich noch keine Sorgen machen: Momentan rechnet man mit einem maximalen Transportgewicht von 2,5 Kilogramm. Für den Anfang.

Fliegende Döner

Neu ist die Idee allerdings nicht: Schon 2012 ging der “Dönercopter”  durch die Medien – eine Mischung aus Machbarkeitsstudie und einem gelungenen Technologie-Jux. Noch fliegen allerdings keine Döner planmäßig durch den deutschen Luftraum.

Und auch DHL experimentiert mir der Zustellung per Drohne. Jedoch fliegen die Experimental-Helikopter derzeit nicht autonom, sondern werden von zwei Piloten gelenkt, da die deutschen Behörden einen ständigen Sichtkontakt zu einem solchen fliegenden Objekt vorschreiben.

Hier zeigt sich eine erste Hürde: Unabhängig von der technischem Machbarkeit ergibt sich eine schier unerschöpfliche Flut an Hindernissen – allein bürokratischer Natur. Welche Regelungen gibt es für die kommerzielle Luftraum-Nutzung? Darf man Privatgrundstücke überfliegen? Oder müssen die Minihubschrauber so lange die Augen zuhalten, um die Privatsphäre der Überflogenen zu gewährleisten? Überhaupt: Muss sicherheitshalber jedes Haus, jedes Auto und jede Person, die von der Drohnenoptik erfasst wird, gepixelt werden (here in Blurmany)?

Ernsthaft: Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn ein autonom fliegendes Objekt Schäden verursacht – insbesondere, wenn es kommerziell unterwegs ist?

Diese Liste kann beliebig erweitert werden und ist in der Lage jedem Euphoriker in dieser Sache den Mut zu nehmen.

Vision oder Plan?

Also ist das alles Marketing? Immerhin haben es etliche Unternehmen mittlerweile erfolgreich geschafft, mit solchen Meldungen und Experimenten in die Schlagzeilen zu gelangen. Und es ist nicht zu leugnen: Solche Meldungen erzeugen leuchtende Augen bei vielen verspielten Technologie-Geeks.

Bei nüchterner Betrachtung aber scheint das Vorhaben – wie auch immer es ausgerichtet ist – unrealisierbar.

Ich bin der Überzeugung, dass Bezos es sehr ernst meint mit seinem Projekt. Amazon ist bekannt für einen extrem langen Atem. So verdient das Internet-Kaufhaus unterm Strich immer noch kein (oder kaum)  Geld. Nicht, weil sie es nicht könnten, sondern weil sie zunächst wachsen und Infrastruktur schaffen wollen. Und das Imperium, das entstanden ist, ist gewaltig.

Mit dieser langfristigen Herangehensweise steht das Drohnenprojekt in einem ganz anderen Licht da, denn Zeit bringt immer auch Veränderungen mit sich, die anfangs kaum vorstellbar sind.

So erreichte der legendäre Supercomputer Cray1  1976 eine Rechenpower von 80 MFLOPS (Millionen Gleitkomma-Operationen pro Sekunde), wog 5,5 Tonnen und kostete 8,8 Millionen US-Dollar.

Heute schafft ein iPhone 5 bis zu 767 MFLOPS, passt in eine Hemdtasche und wird mit jenseits der 500 US-Dollar heute als überteuert empfunden.

Hätte man das jemandem 1976 erzählt…

Oder wenn man einen Jumbojet besteigt: Wem kommt da nicht die Frage, wie so ein Monstrum auch nur einen Millimeter vom Boden abheben kann? Trotzdem werden jedes Jahr Milliarden Menschen durch den weltweiten Luftraum bewegt, und trotzdem ist das Flugzeug eins der sichersten Verkehrsmittel. Vor hundert Jahren wäre eine solche Vision nicht leicht vermittelbar gewesen.

Doch zurück zu Amazon: Bezos setzt augenscheinlich auf langfristige Entwicklung und wird das Projekt nicht als gescheitert ansehen, wenn es in den nächsten fünf Jahren noch nicht profitabel und erfolgreich sein sollte.

Hinzu kommt, dass die größten technologischen Hürden bereits genommen sind. Die rein technische Machbarkeit sehe ich als bewiesen an. Jetzt beginnt die strukturelle und organisatorische Arbeit. In den USA verhandelt Amazon bereits mit der Luftfahrtbehörde FAA.

Und letztlich stellt sich die Frage, in wieweit eine solche Technologie die nötige gesellschaftliche Akzeptanz findet – und dazu gehören schlüssige Konzepte. Hier lauert eine der größten Gefahren. Viele technologische Meilensteine sind auch daran gescheitert, dass sie niemand brauchte oder wollte. Dazu gehören Dinge wie z.B. Spracherkennung. Sie funktioniert und ist auch vielfältig implementiert (so z.B. in diversen Google-Diensten oder Siri). Aber die Stufe des “Alltäglichen” hat sie nie erreicht.

Es geht hier nicht um Technikgläubigkeit, sondern ich versuche lediglich zu beobachten, zu vergleichen und daraus eine Prognose zu wagen. Auch ziehen solche Technologien moralische Aspekte mit sich. Allein die beängstigende militärische Nutzung ist ein Kapitel für sich und höchst brisant. Auch das Geschäftsgebaren von Amazon soll hier nicht Thema sein, obwohl dieser Kontext durchaus spannend sein könnte.

Also prognostiziere ich mal: In 20 Jahren werden autonome Systeme zum Transport von Waren und Gütern zu unserem Alltag gehören – und möglicherweise auch die computergesteuerte Fortbewegung von Menschen. – Wer hält dagegen?

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s