Archiv der Kategorie: Meilensteine

Der Minimoog im Clone War

Der Minimoog ist einer der ganz wesentlichen und unsterblichen Synthesizer-Meilensteine mit einer Historie, die bis Anfang der 70er-Jahre zurückreicht. Inzwischen ist er oft kopiert, aber nie erreicht?

Bob Moog gilt als einer der Väter des Synthesizers. Nach aufrüttelnden Klanggebilden, die plötzlich mit dem großen und unbezahlbaren Modularsystem möglich wurden, hatte der Minimoog den größten Impact auf die Entwicklung elektronischer Musikinstrumente überhaupt.

Und wir sprechen hier von einem Musikinstrument aus dem Jahr 1970, das bis heute nichts an Magie und gewaltiger Klangpower eingebüßt hat.

Evolution

Moog Minimoog Voyager
(Minimoog Voyager – Foto: Jörg Riewenherm)

2002 gab es dann eine Neuauflage als Minimoog Voyager, der insbesondere speicherbare Patches ermöglichte, eine Midi-Schnittstelle aufwies und auch sonst viele Detailverbesserungen und neue Features mitbrachte.Der Voyager war nicht mehr so kapriziös, wie sein Urvater. Die Stimmstabilität der Oszillatoren wurde massiv verbessert.

Allerdings war um das ausklingende Jahrtausend nicht mehr die Zeit für analoge Technik. Digitale Synthesizer und Workstations machten sich breit und schufen abermals ganz neue klangliche Möglichkeiten.

Trotzdem war die Renaissance der Analogtechnik nur eine Frage der Zeit – ähnlich, wie heute das wieder-Aufleben der Vinyl-Schallplatte.

Damit kamen dann auch die Bemühungen diverser Hersteller, den brachialen Minimoog-Sound zu rekreieren, ohne dass man den nicht unerheblichen Preis des Originals aufbringen musste. Der Ur-Minimoog kostete um 1970 ca. 6000 DM. Inflationsbereinigt sind das heute mehr als 11.0000 Euro. Und auch der modernere Voyager kostete gut 3000 Euro.

Virtuell analog

Da die diskrete Bauweise kostspielig ist – gerade bei kleineren Auflagen, kamen zunächst virtuell-analoge Versionen, die sich eng an den Minimoog anlehnten. Zum Beispiel der Minimax von der deutschen Firma Creamware aus dem Jahr 2005 – dieser sogar gleich 12-stimmig polyphon.

Arturia Mini V
(Der Minimoog als Plugin: Arturias Mini V)

Als virtuell-analoge Synthesizer als Plugins in den Rechner zogen, schrieb der französische Hersteller Arturia regelrecht Geschichte. Deren Computermodell des Minimoog war offenbar so gelungen, dass kein Geringerer als Bob Moog selbst Arturia unterstützte und erlaubte, die Software tatsächlich Minimoog zu nennen. Heute heißt die Emulation aber wieder nur “Mini”.

Wieder-Auferstehung

2016 machte Moog selbst dann „Nägel mit Köppen“ und brachte das handgefertigte Model D Reissue heraus, eine fast hundertprozentige Neuauflage des Originals, allerdings diesmal mit MIDI und stabileren Oszillatoren.

Der Hype war auf dem Höhepunkt, und fast alle anderen namhaften Hersteller hatten nun wieder wirklich analoge Synthesizer im Programm. Viele davon orientierten sich klar am großen Vorbild. So zum Beispiel der Roland SE-2.

Kopierwerk

Behringer Model D
(Behringer Model D – Foto: Jörg Riewenherm)

Und dann gab es eine Firma, die plötzlich radikal aufdrehte: Die deutsch-chinesische Audio-Schmiede Behringer kündigte analoge Synthesizer an. Und zwar ganz viele. Und es wurden viele. Alles nahezu 1:1 Kopien klassischer Originale geradezu zu einem Taschengeld-Preis.

Poly D und Minimoog Voyager Seite an Seite zum Hinhören

Von der kulturellen Bedeutung einer solchen Kopier- und Reengineer-Bude kann man halten, was man will – ich sehe das durchaus kritisch. Aber eins hat alle überrascht: Das unglaublich hohe klangliche Niveau und die Originaltreue.

Behringers Model D und Poly D

Behringer Poly D
(Behringer Poly D – Foto: Jörg Riewenherm)

Mit dem Model D kam dann auch der erste geradezu freche Minimoog-Clone, der zwar relativ klein war in seinem Eurorack-Format, aber unerwartet fett und echt klang.

Und 2020 wurde es dann noch eine Nummer dreister: Mit dem Poly D brachte Behringer einen 4-stimmig paraphonen “Mini” auf den Markt, der genau wie das Original ein hochklappbares Bedienteil hatte und in einem echten Holzgehäuse untergebracht war. Zu einem Preis von inzwischen unter 700 Euro war das eine Ansage.

Behringer Poly D vs. Minimoog Voyager
(Behringer Poly D neben dem Minimoog Voyager – Foto: Jörg Riewenherm)

Und wieder: Klanglich kann er sich mit dem Original durchaus messen, bietet zusätzlich aber noch besagte 4-stimmige Paraphonie und einen Sequenzer. Darüber hinaus gibt es einen Chorus, den man sich mal eben von einem Roland-Clone “rüberkopiert” hatte. Vom Aufbau orientiert er sich aber am Ur-Minimoog und weniger am Voyager. So hat er keinen Speicher für Patches.

Und ja, die Maschine klingt toll. Wenn ich ganz ehrlich bin: Zu toll. Ich bin nicht sicher, ob ich die Entwicklung gut finde. Bob Moog muss das nicht mehr erleben, aber für Pioniere wie Dave Smith (Sequential) oder Tom Oberheim ist das vermutlich nicht schön.

Ich bin zwiegespalten. Zu weit darf ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Immerhin habe ich inzwischen auch einige dieser Behringer-Geräte in meinem Studio. Aber doch immer mit einem Hauch schlechtem Gewissen.

Synthesizer-Meilenstein: Korg DW-6000

Mitte der 80er Jahre erwachte ein digitales Zeitalter. Spätestens mit Einführung der Compact Disk war der digitale Siegeszug nicht mehr aufzuhalten.

Korg DW-600 - Foto: Riewenherm

Korg DW-600 – Foto: Riewenherm

Im Synthesizer-Bereich war es eine kostspielige Technologie, aber auch glamourös und edel. Man denke allein an Legenden wie den Fairlight, das Synclavier oder die blauen Zauberkisten von PPG. Bei Preisen in Größenordnungen von Mittelklassewagen bis Eigentumswohnungen (ein Fairlight CMI kostete Ende der 70er gut eine viertel Million Dollar) war das für den begeisterten Durchschnittsmusiker allerdings kaum mehr als ein feuchter Traum.

Korgs Digitalisierungs-Offensive

Aber das Wort “digital” wurde wichtig und verkaufsfördernd.

Mit dem DW-6000 brachte Korg 1984 entsprechend seinen ersten zumindest in Teilen digitalen Synthesizer heraus. Mit knapp über 3000 DM lag er damals preislich im Mittelfeld. Heute bezeichnet man ihn als Hybriden, denn die Wellenformen sind digital, der restliche Signalweg ist analog (was heute wiederum ein Verkaufsargument wäre).

1984 wurde es digital: Korg bringt den DW-6000 mit digitalen Wellenformen - Foto: Riewenherm

1984 wurde es digital: Korg bringt den DW-6000 mit digitalen Wellenformen – Foto: Riewenherm

Streng genommen hatten schon die Vorgänger digital gesteuerte Oszillatoren. Neu beim DW-6000 war aber, dass diese nicht einfache Grundwellenformen lieferten, wie Sinus, Rechteck, Sägezahn und Co., sondern recht komplexe Wellenformen als one-cycle-Samples – also ein Wellenformausschlag von einem Nulldurchgang zum nächsten. Das war neu und klang wirklich digital.

Entsprechend unterscheidet sich der Klangcharakter deutlich von dem seiner Ahnen. Die Wellenformen klingen komplex, filigran und – das muss man auch sagen – dünner  als ihre analogen Vorgänger. Genau das wurde aber auch erwartet, und der Klangeindruck war wirklich neu.

Keep it simple

Aufdruck statt Display: Die Parameterliste des DW-6000 - Foto: Riewenherm

Aufdruck statt Display: Die Parameterliste des DW-6000 – Foto: Riewenherm

Die Klangformung selbst geschieht dann intern aber klassisch substraktiv. Das heißt:  Pro Stimme gibt es zwei Oszillatoren (plus weißes Rauschen bei Bedarf), eine Lautstärke-Hüllkurve, eine Filterhüllkurve, einen analogen Tiefpassfilter mit Resonanz (kann auch richtig dreckig!) und einen LFO, der die Oszillatoren oder den Filter modulieren kann. Effekte spendierte Korg aber erst dem Nachfolger DW-8000. Beim DW-6000 musste man sich mit einem einfachen Chorus zufrieden geben.

Die Klangparameter sind also überschaubar. Das ist auch gut so, denn die Programmierung von Klängen ist leider gar nicht analog. Jeder Parameter hatte eine Nummer, die man anwählen konnte und ein Value, das man immerhin mit einem Schieberegler einstellen konnte. Jedoch hatten diese Parameter nur 31 oder 63 Abstufungen. Entsprechend ist die Zahl der mit dem DW-6000 kreierbaren Sounds durchaus im endlichen Bereich angesiedelt.

Entsprechend “übersichtlich” ist auch das Bedien-Panel. Es gibt acht Zifferntasten, mit dem sich wahlweise eins der 64 Programme oder einer der Soundparameter anwählen lässt, ein paar weitere Taster für up/down, Bank hold, Write, usw.. Darüber hinaus drei zweistellige 7-Segment-Anzeigen: Eine für den gewählten Klang-Parameter, einer für das gewählte Programm und einer für das eingestellte Parameter-Value.

Am wichtigsten ist aber die aufgedruckte Parameter-Liste. Hier sehe ich, welcher Klangparameter welche Kennziffer hat. Das kennt man ja schon vom Poly 800 oder Poly 61.

Tasten statt Drehregler

Die Hardware ist ansonsten recht unspektakulär. Eingepackt ist die neue Hybrid-Technik in ein für die Zeit recht modernes und großes Kunststoffgehäuse, das sich auch heute noch nett macht. Das 61-Tasten-Keyboard spielt sich gut, ist aber simpelst. Keine Anschlagdynamik, kein Aftertouch. Auch das blieb den Nachfolgern vorbehalten.

Digitales fürs Ohr

Und wie klingt der DW-6000 nun? Es ist interessant, denn das Instrument ist für mich ein wenig emotional aufgeladen, da ich mir den Synthesizer damals als Schüler absolut nicht leisten konnte, aber dennoch dem Musikhaus meines Vertrauens mächtig auf die Nerven ging, alles ausgiebig anzutesten.

Sachlich betrachtet ist der Klang des DW-6000 einfach, eher etwas kühl und trotz der analogen Signalkette recht digital. Von den Klangspektakeln eines D-50 oder M1 ist er weit entfernt, klingt aber trotzdem “moderner” als seine Vorgänger.

Man hört ihm deutlich an, dass er an der Schwelle zum echten Digitalsynthesizer steht. Er ist aber noch kein Allrounder. So sind weder Natursounds, noch fette analoge Klänge seine Spezialität. irgendwas dazwischen. Immerhin sind neue Klänge schnell programmiert.

Synthie-Bläser und nette Pads funktionieren gut – besonders (oder vielleicht nur?), wenn man noch ein Effektgerät zwischenschaltet.

Fette Bässe gelingen dagegen weniger – und für E-Piano-Sounds ist die 6-stimmige Polyphonie etwas zu knapp bemessen.

Sammlungswürdiger Youngtimer

Auf jeden Fall ist der DW-6000 eine schöne, nostalgische Ergänzung in einem Sammler-Setup. Zwar ist der DW-8000 deutlich besser (auch teurer), aber der 6000er ist nun mal der Meilenstein. Er markiert einen interessanten Wendepunkt vom klassisch-analogen Synthesizer in eine digitale Welt, in der später selbst die substraktive Synthese eine Auszeit nehmen durfte. Die Technologie mit den “Micro-Samples” sollte man später noch häufig wiederfinden. Und auf Filter verzichteten einige Hersteller später sogar ganz (zumindest kurzzeitig).

Auf dem Gebrauchtmarkt muss man allerdings mittlerweile gut aufpassen, da die Elektronik dieser alten Geräte nicht unsterblich ist. Idealerweise sollte man einen Gebraucht-Kandidaten sehr genau prüfen – also wirklich jeden einzelnen Knopf und nach Möglichkeit jede Editierfunktion. Und selbst dann ist man nicht davor sicher, dass der Klassiker von einem Tag auf den anderen macht, was er will. Dieses Risiko ist allerdings für alle Synthesizer mit diesem Alter typisch und schwer zu vermeiden.

 

DW-6000 – Technische Daten

Klangerzeugung: Korg DWGS (Digital Waveform Generator System)

Polyphonie: 6-stimmig

Oszillatoren: 2 x DWGS pro Stimme

LFO: 1

Filter: 24 dB Tiefpass VCF

Speicherplätze: 64

Effekte: Chorus

Tastatur: 61 Tasten, nicht anschlagdynamisch, kein Aftertouch, Joystick

MIDI: ja, IN/OUT/THRU, nicht multi-timbral

 

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